SDN: Eine Bestandsaufnahme

 Originally published on Juli 15, 2015 by Thomas Timmermann
Last updated on März 03, 2022 • 19 minute read

Ob wir mit der Presse oder mit Analysten sprechen, stets fällt das Kürzel SDN verbunden mit der Frage, wo sich Paessler und PRTG in dem Zusammenhang positionieren. Auch unsere Kunden werden ständig mit dem Thema konfrontiert und der eine oder andere fragt dann auch bei uns nach, was SDN eigentlich ist und ob er das braucht bzw. ob PRTG das unterstützt. Zeit, ein wenig Licht ins SDN-Dunkel zu bringen und etwas Aufklärung zu betreiben.

Was ist SDN?

Vereinfacht gesprochen, ist SDN die Virtualisierung des Netzwerks. SDN steht für Software Defined Networking und bedeutet die Entkoppelung der sogenannten Control Plane, der Kontrollebene, von der Data Plane, der Ebene, auf der Daten bewegt werden und zu der neben den RAW-Daten auch Hardware wie Switches und Router gezählt werden. Für die Steuerung der Data Plane verwendet die Control Plane zum Beispiel das OpenFlow-Protokoll, dessen Standard von der Anwenderorganisation Open Networking Foundation verwaltet wird. Oberhalb der Control Plane findet sich dann die Application Plane, auf der die Applikationen laufen.

 

SDN - Software Defined Networking

 

Warum SDN?

Folgende Gründe und Vorteile sprechen für die Einführung von SDN:

  • Netzwerke sind im Lauf der Jahre immer komplexer geworden. Das verlangt eine Menge Aufwand bei der Konfiguration der Netzwerkgeräte – was zu großen Teilen vom Administrator per Hand erledigt werden muss. SDN tritt mit dem Anspruch an, diesen Aufwand wesentlich zu reduzieren.
  • Virtualisierung, Big Data, Internet of Things, Cloud Computing, BYOD: Fast alle großen IT-Themen der letzten Jahre erhöhen den Datenverkehr zum Teil massiv und stellen ganz neue Ansprüche an Planung und Koordination von Datenströmen im Netzwerk. Auch hier soll SDN die Lösung bieten.
  • Ein weiterer Aspekt, der SDN zugesprochen wird, ist eine Art Vogelperspektive auf das Netzwerk. Der Gedanke dahinter ist, dass eine zentrale „Intelligenz" in der Lage ist, das große Ganze zu sehen und so Datenströme viel besser steuern und optimieren zu können.
  • Dank der Trennung der Kontrollfunktion von der Datenebene können die einzelnen Geräte viel besser für ihre jeweiligen Aufgaben optimiert werden. Im Detail bedeutet das wenige, leistungsfähige Server für die Kontrolle und schlanke, „dumme" Switches auf der Datenebene. Damit sollen dank SDN deutliche Einsparungen bei Energie- und Hardwarekosten möglich sein.

Wo steht SDN heute?

Laut einer Gartner-Umfrage von Dezember 2014 wird SDN gerade einmal bei 7 % der befragten Unternehmen in nennenswertem Umfang eingesetzt. Berücksichtigt man den Fokus von Gartner auf große Unternehmen und die Tatsache, dass SDN derzeit vor allem für große Unternehmen sinnvoll und bezahlbar ist, dürfte die Verbreitung im KMU-Bereich deutlich darunterliegen. Ende 2016 werden laut Gartner weltweit 10.000 Unternehmen SDN produktiv einsetzen. Auf den ersten Blick eine große Zahl, die sich aber schnell relativiert, wenn man sieht, dass es allein in Deutschland mehr als 3,5 Millionen Unternehmen gibt, davon immerhin noch 330.000 mit mehr als 10 Angestellten.

Was verzögert die Verbreitung von SDN?

Im Wesentlichen stehen einer schnelleren und weiteren Verbreiterung von SDN drei Faktoren entgegen:

  1. Fehlende Markt-Konsolidierung
    Derzeit versuchen sich viele Hersteller mit teils konträren Konzepten im SDN-Markt zu etablieren. So setzt Cisco als Big Player im Bereich Netzwerk-Hardware mit seinem eigenen Standard „Open Network Environment" (ONE) auf eine enge Koppelung von Control Plane an die unterlegte (Cisco-)Hardware. Im Gegensatz dazu vertritt der Virtualisierungsspezialist VMware die Ansicht, dass SDN sowieso schon Teil eines umfassenden (VMware-)Virtualisierungspakets ist. Für die meisten Unternehmen macht es vor einem so gravierenden Einschnitt in die gesamte IT durchaus Sinn abzuwarten, welches Konzept und welche Hersteller sich letztlich durchsetzen werden und eine langfristige Perspektive bieten können.
  2. "Alte" Hardware
    Die Hardware der Data Plane kann zwar „dümmer" (und günstiger) sein als aktuelle Netzwerk-Hardware, sie muss aber OpenFlow (oder das Pendant des jeweiligen Herstellers) unterstützen – was bei aktueller Hardware meist nicht der Fall ist. Bei den meisten Unternehmen müsste vor Einführung von SDN also fast die komplette Netzwerk-Hardware ausgetauscht werden. Ein enormer Kostenfaktor.
  3. Aufwand Einführung
    Die Einführung von SDN bedeutet die komplette Umstrukturierung der bestehenden IT-Infrastruktur. Personal muss entsprechend geschult werden, Hardware muss erneuert werden (siehe Punkt 2) und bei einem Projekt dieser Tragweite muss mit massiven Beeinträchtigungen des normalen Geschäftsablaufs gerechnet werden. Was große Unternehmen über eigene Teams und externe Berater noch leisten können, ist für viele kleinere Unternehmen kaum machbar.

Kann man SDN monitoren?

Als Hersteller einer Monitoring-Lösung mit dem Anspruch, Unified Monitoring für KMU zu bieten, wird Paessler natürlich immer wieder nach Unterstützung von SDN-gesteuerten Netzwerken gefragt. Natürlich muss auch bei einem softwaregesteuerten Netzwerk die Hardware funktionieren. Die Control Plane kann vielleicht den Ausfall einzelner Geräte so kompensieren, sodass keine direkten Schäden entstehen, die Gesamtperformance des Netzwerks wird trotzdem durch Ausfälle und Störungen beeinflusst. Eine proaktive und lückenlose Überwachung der Data Plane ist auch bei einem SDN-kontrollierten Netzwerk unumgänglich. Auf der anderen Seite müssen die Applikationen über entsprechende Schnittstellen an die Control Plane andocken, um Daten senden und empfangen zu können. Sowohl die Schnittstellen als auch die Applikationen selbst müssen stets performant und verfügbar sein und sollten in ein umfassendes Monitoring einbezogen werden.

Bleibt die Control Plane selbst, die von aktuellen Monitoring-Lösungen in der Regel noch nicht überwacht werden kann. Hier müssen sich zunächst einheitliche Standards und Schnittstellen etablieren, bevor die Hersteller der Monitoring-Tools aktiv werden können. Anzunehmen ist, dass die einzelnen SDN-Anbieter ihren Lösungen Bordmittel mitgeben werden, anhand derer die Lösungen die entsprechenden Performancedaten der Control Plane selbst ermitteln und bereitstellen können. Hier können die Anbieter konventioneller Monitoring-Software dann angreifen, die entsprechenden Daten abholen und in einen zentralen und umfassenden Überblick über die gesamte IT einbinden.

Ein gutes Beispiel liefern hier die etablierten Hersteller von Virtualisierungslösungen wie VMware, Citrix oder Microsoft. Deren Standards werden von den meisten Monitoring-Lösungen mit einem umfassenden Ansatz mittlerweile beherrscht, die virtuellen Umgebungen in das Gesamt-Monitoring einbezogen. Bis sich Virtualisierung aber im Markt wirklich etablieren konnte, sind viele Jahre des Hypes und der Ernüchterung vergangen. Als Virtualisierung dann aber wirklich in der Breite ankam, waren die namhaften Monitoring-Lösungen schon vorbereitet. Ähnlich wird es auch mit SDN sein: Es wird Jahre dauern, bis sich der Administrator in einem mittelständischen Unternehmen ernsthaft Gedanken darüber machen muss, ob und wie er SDN einsetzt und wie er die Kontrolle über die Control Plane behält. Wenn er bis dahin eine etablierte und umfassende Lösung zum Monitoring einsetzt, kann er davon ausgehen, dass diese bis dahin auch für SDN vorbereitet sein wird.

 

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